Und die Moral von der Geschicht´? „Die eine“ Moral gibt es nicht!
Stellen Sie sich vor: Ihr Kollege oder Chef bietet Ihnen an, bei jedem Event 20 Prozent draufzuschlagen und bei dem „Gewinn“ halbe-halbe zu machen – schwarz in die eigene Tasche, versteht sich.
Oder Ihr Chef plant, Garnelen auf den Teller zu bringen, obwohl teurere Scampi auf der Karte stehen. Vielleicht wird auch Pangasius serviert und die teure Seezunge berechnet. Für Ihr Schweigen als Mitarbeiter wird Ihnen vielleicht eine kleine Provision versprochen. Was wäre für Sie ein unmoralisches Angebot, das Sie nicht ausschlagen würden? Und wann könnten Sie nicht mehr in den Spiegel schauen?
In Zeiten von Betrugs- und Korruptionsskandalen à la VW und FIFA fragt man sich schon, ob die Spiegel in Wolfsburg und Zürich wohl beschlagen waren. Mit Schadenfreude und ein bisschen Boshaftigkeit werden wieder einmal alle Manager über einen Kamm geschoren und mit Stammtischparolen wie „Die sind doch eh alle kriminell“ an den Pranger gestellt. Doch wussten wir nicht schon vor dem VW-Skandal, dass die Verbrauchsangaben aller Automobilhersteller (getestet unter Laborbedingungen) nicht ganz stimmen können? Gestört hat das doch auch erst einmal niemanden. Hauptsache, man konnte mit der grünen Umweltplakette bequem bis in die Innenstadt fahren. Feinstaub hin oder her.
Petzen oder schweigen?
Geringe Anflüge von Moral gab es bei VW scheinbar schon, jedenfalls in den „unteren Etagen“. So hatte sich bereits 2011 ein Techniker an seinen Vorgesetzten gewandt, um auf die illegale Abgas-Software aufmerksam zu machen. Auch der Zulieferer Bosch soll VW auf die Gesetzeswidrigkeit hingewiesen haben. Doch scheinbar blickten die Vorgesetzten nicht nur in beschlagene Spiegel, sondern litten auch noch unter tauben Ohren.
Was aber, wenn wir selber vor die Entscheidung gestellt werden, bei einer nicht ganz sauberen Sache mitzumachen? Wenn das Ergebnis der Notlüge ein moralisches Ergebnis ist? Wenn man den Kollegen beim Chef krank meldet, damit er bei der Einschulung seiner Tochter dabei sein kann. Oder wenn dem Gast zu viel Wein berechnet und das in den eigenen Taschen landet – und wenn „alle“ das so machen? Was gewinnt? Die eigene Moral oder die Loyalität dem Chef, dem Kollegen oder Mitarbeiter gegenüber? Heiligt der Zweck eben doch manchmal die Mittel?
Betrug oder Kavaliersdelikt?
Die Grenzen zwischen Kavaliersdelikt und Kriminalität sind oftmals fließend und nicht immer ist man sich seiner Schuld bewusst. Der eine ist fest davon überzeugt, das moralisch Richtige zu tun, wohingegen ein anderer dieselbe „Tat“ für absolut verwerflich hält. Menschen sind einfach unterschiedlich, was – um mal wieder auf das Reiss Profile zurück zu kommen – zu einem großen Teil in unserer Persönlichkeit liegt. Für den einen ist das Motiv der ausgeprägten „Ehre“ besonders erstrebenswert, für den anderen steht die Ziel- und Zweckorientierung über aller Moral. Wir alle haben eine unterschiedliche Auffassung davon, was richtig und was falsch, was moralisch und was verwerflich ist. Und nicht selten sind wir uns der Konsequenzen unser Handlungen nicht bewusst. So bildete Einsteins Formel E=mc² eine entscheidende theoretische Voraussetzung für die Entwicklung der Atombombe – für den überzeugten Pazifisten eine schreckliche Konsequenz, die ihn zeitlebens tief betroffen machte. Und auch die Supermarktkassiererin, der wegen eines Pfandbons im Wert von 1,30 Euro fristlos gekündigt wurde, hat sich wahrscheinlich nichts Böses dabei gedacht, als sie den „fremden“ Bon für sich einlöste. Oft stricken sich Menschen aber auch phantasievolle Geschichten, die ihr Handeln rechtfertigen und erklärbar machen sollen. Selten werden die Konsequenzen zu Ende gedacht. FIFA-Präsident Blatter und auch die Bosse von Gosch und Vapiano könnten zum Beispiel solche Menschen sein. Huch, da lagen plötzlich günstige Garnelen anstatt der versprochenen Scampi auf dem Teller. Das Gehirn ist schon ein Wunder der Natur.
Schauen Sie mit vollem Bewusstsein in den Spiegel!
Alles, was wir gedenken zu tun, läuft vor der Handlung durch einen geistigen „Moral-Scanner“ und der ist bei jedem Menschen anders eingestellt. Wenn Sie also das nächste Mal vor der Entscheidung stehen „Eigene Moral oder Loyalität?“, dann blicken Sie ganz bewusst in den Spiegel und fragen sich: Wo sind meine ganz persönlichen Grenzen und wie würden die Menschen, die mir wichtig sind, über mich denken? Was denke ich in zwei Wochen über meine Handlung, in zwei Monaten und in zwei Jahren?
Setzen Sie sich klare Regeln, bei welcher Entscheidung Sie nicht mehr in den Spiegel schauen könnten. Vielen Menschen fehlt oft das Bewusstsein für die eigenen moralischen Wertvorstellungen – zu sehr sind sie geprägt durch die Wertvorstellungen anderer. Doch wer sagt, dass die der anderen richtig sind? Und wenn Sie Chef sind und vor einer moralischen Entscheidung stehen, dann gilt genau das Gleiche: Fragen Sie sich, was Ihre Mitarbeiter von Ihnen denken und dann seien Sie ein Vorbild: Nur wenn Sie Ihnen mit Wertschätzung, Geradlinigkeit und Loyalität gegenübertreten, können Sie auch Loyalität und Geradlinigkeit von Ihren Mitarbeitern erwarten. Ermutigen Sie sie dazu, auf Dinge hinzuweisen, die sie für unmoralisch halten. Bleiben Sie mit Ihnen im Gespräch und nehmen Sie ihre Meinungen ernst. Für manche Menschen sind Fünfe eben auch manchmal gerade – doch nicht immer steckt wirklich eine böse Absicht hinter dieser Rechnung.
Liebe Frau Schade,
es ist, mal wieder, ein sehr interessanter Kommentar von Ihnen der nachdenklich macht.
Leider ist es so, dass wir zum Egoismus herangetrieben sind und nur für mich, uns oder im Sinne der Firma arbeiten, sollte. Dadurch wird LEIDER keine Rücksicht genommen, was im Weg steht.
Da der Fisch am Kopf anfängt zu stinken, ist dies meist eine Management Problematik, die sich schnell in allen Hierarchien runter sickert. Wir haben die Gemeinschaftskultur verloren und gehen in die Egokultur über. Wir sorgen uns nur um uns, dass gleiche sehen sie in Firmen, Privatleben bis hin zur Flüchtlingsproblematik.
Trotzdem heißt es nicht, dass wir es nicht wieder zurückbiegen sollten, da es auf Dauer besser und effektiver ist in einer richtigen Gemeinschaft zu leben und arbeiten. Wenn wir offener in den Betrieben arbeiten würden und eine gesunde Kommunikationskultur leben, dann würde es besser sein und die Mitarbeiter wäre motivierter und effektiver.
Mit freundlichen Grüße
Zeèv Rosenberg
Bruder Paulus hat dies in seinem lesenswerten Büchlein „Alltagsethik“ einmal thematisiert – doch mein Dank für diesen neuen, wachrüttelnden Beitrag im Weltklasse-Blog „So geht Hotel heute“ (Besser als manche Fachzeitschrift…)
Kleine (grüne) Lügen sind in der Hotellerie an der Tagesordnung, in Sachen Nachhaltigkeit. Aus aktuellen Anlass: Auch das ist keine Kleinigkeit mehr.
Mich verwundert, dass wieder alle über einen Kamm geschoren werden … Diese Betrugsfälle sind doch eher ein Problem in größeren Häusern in „anonymer“ Großstadtatmosphäre, wo die Kontrolle „eingeschlafen“ ist. In kleinen familiengeführten Häusern, wo man Gäste noch kennt und achtet, daran interessiert ist, sie zufriedenzustellen, für einen neuen Besuch zu begeistern und wo der Chef noch mit ALLEN regelmäßig in Kontakt steht, scheint sowas unvorstellbar. Jede auch noch so kleine „Unregelmäßigkeit“ fällt auf, Alle ziehen an einem Strang, sachliche Kritik wird zur Chefsache und in der Regel nicht auf die lange Bank geschoben – Lebensmittelbetrug geht da nicht … und in die eigene Tasche wirtschaften schon gar nicht, das Personal kennt ja die Folgen … Und wenn mal ein Fehler passiert – eine ehrliche Entschuldigung gegenüber dem Gast hat noch nie geschadet …
Wir haben beim „Re-Branding“ von „Orient Express“ auf „Belmond“ ein Tool eingeführt, welches einen kostenlosen „Get in touch“ (Telefon, Postweg etc.) mit einer entsprechenden Stelle anbietet. Verschiedenste Dinge können angesprochen werden – aber auch andere Sachen, über die nicht hier und in der Öffentlichkeit gesprochen und/oder diskutiert wird – Alkohol – und Drogenmissbrauch in der Hotellerie (Tagesordnung), Fremdenfeindlichkeit etc. Aus der ganzen Welt wurde einer zentralen Stelle Probleme und unmoralische Angebote zugetragen und nach Lösungen gesucht und gefunden. Wir selber bieten mit unserem Programm „Inside“ ein noch besseres Tool an, in dem wir einen Mitarbeiter in die bestehende Mannschaft einpflegen und von innen heraus das Team beleuchten. Viele Direktoren und Manager haben schon lange den Überblick im eigenen Haus verloren…