Preise, Positionierungen und Pleiten…alles sternetauglich?
Vergangene Woche hatte ich ein langes Gespräch mit unserem Revenue-Management-Team, wo wir unter anderem über unsere Raten, unsere Positionierung und unser Image gesprochen haben. Aktuell haben wir immer mal wieder das Problem, dass die Raten, die unser Revenue-Management-System iDeas (mit dem wir seit Eröffnung erfolgreich und vollautmatisiert arbeiten) vorgibt, von einigen Hotels am Markt unterboten werden. Das ist soweit auch in Ordnung, wenn es denn nicht immer wieder die 3-, insbesondere aber auch die 4- und 5-Sterne Hotels wären. Und genau da fängt unsere Herausforderung an, die in meinen Augen eine Kernherausforderung der Zukunft für die Hotellerie sein wird: Das Preis-Sterne-Verhältnis passt nicht mehr.
In den Köpfen der Endverbraucher und Gäste herrscht immer noch ein klassisches Sternedenken vor. Wenn ein Haus wie unser prizeotel Bremen-City auf einmal in Portalen mehr kostet als ein 4- oder 5-Sterne Hotel, dann passt das den Leuten nicht. Wir sind ja nur ein 2-Sterne Hotel. Was mich aber massiv bei dieser ganzen Sternedenke stört ist, dass eben nicht auch auf die „weichen“ Faktoren geschaut wird. Viele dieser Hotels sind profillos und haben einen extremen Investitionsstau. Es gibt Duschvorhänge (von denen man gar nicht wissen möchte, wann die das letzte mal gereinigt wurden), durchgelegene Matratzen (die wohl schon mehr als zehn Jahre im Zimmer liegen und von denen man auch nicht wissen möchte, wann die das letzte mal gereinigt wurden), die Möbel haben Dellen, W-Lan ist meistens kostenpflichtig und hin und wieder findet man auch noch einen alten Röhrenfernseher, um nur ein paar Merkmale zu nennen. Das wird aber eben nicht durch die Sternezertifizierung ausgedrückt, sondern nur durch die Bewertungsportale. Dass ein 3- oder 4-Sterne Hotel in den Köpfen vieler also automatisch hochwertiger sein muss, als ein 2-Sterne Hotel ist am Ende nur ein Trugschluss, den man an vielen Bewertungen sieht, die abgegeben werden. Auf die Sterneklassifizierung hat das keine Auswirkungen. Genau da ist aber das Problem: Somit leidet zwar das Image im Netz, nicht aber am Eingang (wo die schöne Messingtafel mit den Sternen hängt) und eine Änderung der Sternedenke geht damit in der Masse auch nicht einher.
Eines unserer Mission-Statements lautet: Wir stellen uns und unsere Dienstleistung immer wieder in Frage und verlassen uns nicht auf Denkweisen und Erfolge der Vergangenheit. An dieser Stelle sollten wir dann natürlich überprüfen, ob es überhaupt noch Sinn macht, dass wir uns „Budget“-Design Hotel nennen oder ob wir uns nicht einfach nur Design-Hotel nennen sollten. Ebenso, ob es überhaupt noch Sinn macht, uns mit 2-Sterne zu klassifizieren oder ggf. sogar eine 3-Sterne Klassifizierung in den Portalen anzustreben und uns nach außen hin, wie es auch die Kollegen von Motel One gemacht haben, gar nicht mehr zu zertifizieren. Denn im direkten Vergleich der Dienstleistung: Qualität der Betten, Qualität der Hardware/Immobilie, Sauberkeit, Qualität der Dusche, Qualität der Bettwäsche, Matratzen und Handtücher, sowie technische Gegebenheiten wie W-Lan, TV und vor allem bei der Freundlichkeit der Mitarbeiter haben wir klare Vorteile gegenüber den renovierungsbedürftigen und profillosen 3- und 4-Sterne Hotels.
Nun ist das aber kein neues Thema, es keimt nur wieder neu auf. Meinen Standpunkt dazu habe ich klar in einer Ausgabe der Hotel & Technik vom 06/12 geäußert. Mein Fazit heute wie damals: Die Hotelklassifizierung ist ein dynamisches System, dessen Kriterien und Richtlinien regelmäßig überprüft und gemäß den Gästeerwartungen weiterentwickelt werden sollten. Mit einem Mehr an Transparenz und Sicherheit für den Hotelgast fördert die Klassifizierung die Qualität der Hotellerie und stärkt dadurch auch das Hotelmarketing. Mit der Weiterentwicklung der Kriterien und einer noch besseren Abstimmung werden Synergien genutzt, Anreize zur Steigerung der Qualität gesetzt und die Vermarktung der Angebote gefördert. Der Gast muss seine Anforderungen an ein Hotel nicht mehr den Erläuterungen des Reisekatalog/Internet des Veranstalters entnehmen, sondern kann sich zunehmend auf einen Standard verlassen. Daher ist es auch besonders wichtig und richtig, dass die offiziellen Sterne auf Buchungs- und Bewertungsportalen abgebildet werden und die Hotellerie an ihnen fest- und sie hochhält.
Einzig wünsche ich mir an diesem Punkt, wohlwissend, dass die Einnahmen der Hotelklassifizierung zu einem Großteil der Finanzierung der regionalen DEHOGA Verbände beitragen, dass eben in Zukunft die Software vielmehr bei der Vergabe der Sterne ein Rolle spielt. Wenn man feststellt, dass sich ein Hotel nur noch über Wasser halten kann, weil 60-70% der Mitarbeiter Auszubildende sind und sowieso alle Mitarbeiter Überstunden machen müssen, die nicht bezahlt werden (darunter leidet nämlich das Image der Branche massiv), dass solchen Hotels nicht nur die Möglichkeit zur Ausbildung, aber auch die Sterne aberkannt werden. Auch sollte ein Hotel zum Beispiel einen bestimmten Durchschnittswert an Bewertungen erreichen (vielleicht TrustYou-Score) und wenn das nicht passiert: Sterne aberkennen. Dann wird es in einem überdimensionierten Markt wie in Deutschland, der in vielen Bereichen einfach Überkapazitäten hat, vielleicht endlich einmal zu einer Marktbereinigung kommen, was dann automatisch zur Folge haben wird, dass sich das Preis-Sterne-Gefüge wieder richtig einpendelt.
Was wir von prizeotel bis dahin machen, wird sich zeigen. Aber sollte sich die Nachricht vom heutigen Tage über die Anhebung der MwSt. für die Hotellerie bewahrheiten, dann kommt die Marktbereinigung wahrscheinlich schneller als erwartet. In den vergangenen vier Jahren hat sich vieles verändert: die Nebenkosten sind gestiegen, die Personalkosten sind gestiegen und die Distributionskosten sind auch gestiegen. Nicht gestiegen sind hingegen die Preise, man hatte ja auf Grund der Reduzierung der MwSt. mehr netto im Ergebnis als vorher. Das ein Teil des mehr netto durch die höheren Kosten aufgezerrt wurde, hat viele nicht interessiert. Ist man doch weiter mit Dumpigpreisen in den Markt gegangen, es blieb ja genug, immer noch mehr als vorher über. Diese Strategie wird sich nun rächen, aber das ist ein anderes Thema, über das ich im Januar beim Deutschen Hotelkongress sicherlich sprechen werde. Wie seht ihr die Situation, sollten die Sterne an weiche Faktoren gekoppelt werden, wird es eine Marktbereinigung geben? Ich freue mich auf Eure Anmerkungen und Diskussionen.
So sehr ich eine Klassifizierung schätze, da auch dem Gast und somit Verbraucher eine Orientierung gegeben wird, so sehr muss das System sich schneller dem Markt anpassen. Es kann nicht nach der Anzahl der Haken im Bad oder nach Öffnungszeiten der Bar über Punkte entschieden werden, wenn das Bad selbst renovierungsbedürftig oder die Sessel an der Bar verfleckt und zerschlissen sind. Der Gesamteindruck muss passen und dazu auch der Preis. Rinderfilet für 10 Euro würde wohl kaum einer kaufen. Hotelzimmer bei Groupon schon. Allerdings offenbart sich bei Anreise dann schnell das Grauen und es hagelt massenweise negative Bewertungen. Man könnte die Situation auch als Insolvenzverschleppung ansehen, aber vor allem leiden so lange die Mitbewerber.
Ein guter Freund leitet das i31. Ein außergewöhnlich schönes Hotel und mit allem, was der Gast von heute erwartet. Aber 4+ gab es nicht, weil einige Dinge mit dem Abfragekatalog nicht übereinstimmten. Die Gastmeinung (5 von 5 bei Customer Alliance) hilft nicht…
Allerdings würde ich noch eine Wette aussetzen: noch schneller bereinigt sich der Markt, weil viele Hotels es nicht schaffen, dass der Gast dort online reservieren, einchecken und vor allem nach Anreise im Haus weiter uneingeschränkt mobil sein kann. Das Internet ist wichtiger als Minibar, Reinigung, ja für viele sogar wichtiger als ein Restaurant…
Ganz klar muss das Preis-Sterne-Verhältnis angepasst werden.
Die Hotellerie ist ein dynamischer Markt und kann nicht ewig an einem starren System festhalten. Solange jedoch die profillosen und veralteten Hotels von dieser Klassifizierung profitieren, wird sich daran nicht viel ändern. Es liegt an den modernen Hoteliers, diese Lobby, die beträchtlichen Einfluss auf die akkreditierenden Organisationen auswirkt, aufzubrechen. Das wird aber sicher nicht durch bloßes Zureden oder Abwarten geschehen. Vielmehr sollte ein (wissenschaftlich/empirisch belegtes) Konzept zur neuen Klassifizierung mit Berücksichtigung weicher Faktoren selbstständig entwickelt und umgesetzt werden.
Das Anstreben einer höherwertigen Klassifizierung für das prizeotel birgt einige Risiken. Mit 3-Sternen steigen auch die Erwartungen. Es ist einfacher, ein sehr gutes 2-Sterne Hotel zu sein, als ein gutes 3-Sterne Hotel. Das Weglassen der Zertifizierung kann unkontrollierbare Folgen haben, z.B. wird so das Hotel möglicherweise nicht mehr in Vergleichsportalen gelistet oder es wirkt einfach auf den potentiellen Kunden unseriös.
Die Problematik der massiven Beschäftigung von Auszubildenden wird sich in absehbarer Zeit nicht lösen. Der Arbeitsmarkt gibt es her, dass Hoteliers solche Beschäftigungsverhältnisse führen können. Kein Branchenverband in Deutschland wird sich derart in gesellschaftliche/politische Gegebenheiten einmischen können.
Ja, es wird sicher eine Marktbereinigung geben. Aber Vorsicht: Geiz ist geil! Selbstverständlich werden marode Häuser untergehen. Das ein oder andere moderne, neue Hotel wird aber auch darunter sein. Natürlich bezahlt niemand gern für den W-Lan Zugang im Hotel, aber Geschäftsreisenden ist es egal und der Tourist hat heutzutage ja immer noch sein internetfähiges Smartphone (um nur ein Beispiel zu nennen). Die Anpassungsfähigkeit des Marktes sollte nicht unterschätzt werden. W-Lan kann sofort kostenlos werden oder die Möglichkeit zum Onlinebooking ist schnell implementiert.
Eine der Kernkompetenzen (neben Mitarbeiterfreundlichkeit usw.), die das prizeotel besitzt, nämlich der herausragende Internetauftritt – insbesondere in diversen Bewertungsportalen, sollte weiter ausgebaut werden. Der moderne Gast holt sich diese Informationen und achtet nur begrenzt auf Sterne. Und modern ist das Image von prizeotel. Darin liegt die Zukunft.
Revenue-Management ist sicherlich eine gute Sache. Für den Hotelier, aber ist dies auch für den Gast der Fall?
Wenn ein 2-Sterne Hotel überall mit Preisen ab 59 € wirbt, kann ich das ja noch nachvollziehen. Doch wenn dann in der Stadt irgendetwas los ist, dann wird mal ganz einfach 100 € draufgeschlagen und es kostet 159 €! Das nennt man dann: „So geht Hotellerie heute“.
Der Gast ist nur noch zum Abzocken da! Hat die „Hotellerie von heute“ das von den Banken und anderen Abzockern gelernt? Solche Hotels werde ich niemals aufsuchen!