Ein offener Brief an die „Baumschule“
Die Berufsschüler der Staatlichen Gewerbeschule für Ernährung und Gastronomie in Hamburg haben einen Blog. Genau genommen hat ihn die gelernte Hotelkauffrau Agnes Baum ins Leben gerufen. Unter baumschule.wordpress.com haben ihre Schülerinnen und Schüler dadurch ein – wie sie es selbst nennt – Arbeitsmedium, wo sie interessante Artikel, Materialien und Erfahrungen auf einfachen und schnellen Weg austauschen können. Eine schöne Idee.
Die Kommentare unter dem Beitrag haben mich veranlasst, diesen offenen Brief an den Blog und die Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Gewerbeschule für Ernährung und Gastronomie und Hamburg zu verfassen:
Liebe „Baumschule“,
die heutigen Rahmenpläne der Ausbildung sehen leider kein Online-Marketing vor. Der Schwerpunkt wird auf der klassischen Gastronomie und Hotellerie gelegt. Das alleine hilft aber heute nicht mehr weiter. Wenn ich mir anschaue, dass in der Berufsschule über Bewertungsfragebögen für Gäste im Bereich des Marketings gesprochen wird, dann sieht man doch schon, wie weit hier Theorie und Praxis auseinander liegen. Es geht nicht mehr um Fragebögen, es geht um Online-Reputation!
Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie veraltet die Ausbildung zum Teil ist. Die Marke prizeotel ist ein sehr innovatives Produkt, was die Hardware (Immobilie) wie aber auch die Vermarktung und Unternehmensführung angeht. Tradition darf Innovation nicht behindern, aber gerade in der Hotellerie steht sie doch stark im Wege. Die heutigen Manager sind überfordert mit den Anforderungen, die an sie gestellt werden. Das Internet verändert anders. Wie die Forbes schon getitelt hat:
„Mitarbeiter und Gäste stehen im Mittelpunkt der Unternehmensphilosophie“, heißt es bei vielen Hotelbetrieben. In den meisten Fällen ist das aber nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis. Die Beteiligten merken davon oft nicht viel, hatten aber lange Zeit kaum Möglichkeiten, ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Das Internet hat das alles verändert, die Transparenz ist enorm gestiegen. Bewertungsportale sind ein Spiegel der Gästemeinung. Und damit ist das Ende nicht erreicht, denn künftig wird es nicht mehr nur um die Meinung der Gäste gehen, sondern auch um die der Angestellten.
Immer mehr Mitarbeiter gehen nämlich den Weg ins Internet, um sich über Arbeitsbedingungen, unsympathische Chefs (schon mal von Kununu.de gehört?) oder fehlende Unterstützung zu beschweren. Viele Hotels haben sich auf diese Art der Kritik noch überhaupt nicht eingestellt und wissen nicht, dass sie auch auf diesem Wege gehörig an Reputation einbüßen können.
Ein Beispiel gefällig: Der Amerikaner “Joey” filmte sich selbst, wie er – unterstützt von einer Marschkapelle – ins Hotel ging, nur um seinen Chef im Renaissance Providence Hotel die Kündigung in die Hand zu drücken und anschließend mit fliegenden Fahnen das Haus zu verlassen. Rund zweieinhalb Millionen Menschen haben dieses Video bei Youtube mittlerweile angeklickt. “Joey” wurde in Talkshows eingeladen, wo er über die Arbeitsbedingungen dort berichtete. Das hatte verheerende Folgen für die Marke und für das Image des Hotels. Auf all das sind die heutigen Manager überhaupt nicht vorbereitet. Weder die Unternehmen, noch die Schulen helfen einem dabei.
Somit lernen die Azubis im prizeotel nicht nur den Umgang mit den neuen Medien. Es nimmt ihnen auch die Angst. Bewertungsportale, Facebook, Blogs, Yammer, Twitter, Xing, Linkedin, etc. – Alles keine Fremdwörter, im Gegenteil: Sie kennen sich damit blendend aus und sind gerüstet für die Anforderungen eines modernen Hotelfachmanns.
Was mich nun sehr beunruhigt und teilweise schockt, ist die negative Grundhaltung der Kommentare zu unserem Azubitagebuch. Es wirkt gerade so, als wenn sie nicht an eine gute Ausbildung, faire Arbeitsbedingungen und transparente Kommunikation glauben:
„…Ich denke auch das die Azubis da ausgenutzt werden…“
Nein. Wieso sollten die Azubis ausgenutzt werden? Es hilft ihnen!
„…Ansich ist find ich ist es nicht gut das jeder sehen kann was man den Tag gemacht…“
Warum denn nicht? Es soll einen Beitrag dazu geben, die Attraktivität des Berufsbildes darzustellen. Gibt es denn was zu verbergen?
„…Der Wahrheitsgehalt dieser Berichte ist in meinen Augen eher fragwürdig, denn was tut man nicht alles für ein gutes Image…“
Warum sollen wir denn hier lügen? Das bringt genauso wenig, wie das Fälschen von Bewertungen. Wir würden hier eine Erwartungshaltung schaffen, der wir dann nicht gerecht werden können.
„…die Auszubildenden sich durch ihre eigenen Einträge als wichtig empfinden…“
Es geht nicht darum, ob sich jemand wichtig empfindet oder nicht! Wir arbeiten mit einem systematischen Ansatz, nicht mit einem top-down oder hierarchischen Management. Das Team steht im Vordergrund, nicht der Einzelne. Wir sind erfolgreich oder nicht, aber immer als Team.
„…und nicht Teil der Ausbildung sein, da es ja im Ganzen nichts mit dem Beruf zu tun hat….“
Natürlich! Es hat sehr, sehr viel mit dem Beruf zu tun! Nämlich genau das, was oben beschrieben wurde. Wer bereitet sie denn sonst auf so etwas vor ?
„…Das ist doch alles fake, keiner hat nach 12 stunden arbeit noch lust sich an den PC zu setzten und über die Arbeit zu bloggen!…“
Diese Aussage stimmt mich persönlich wirklich traurig, fast schon wütend. Es zeigt, dass es immer noch Betriebe gibt, die Aussagen wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ proklamieren, die ihren Erfolg auf dem Rücken der Azubis aufbauen. Nur so viel: Keiner arbeitet mehr als acht Stunden bei uns im Hotel. Wenn das so ist, wird er nach Hause geschickt, bzw. wissen wir dann, dass etwas bei uns falsch läuft. Wer heute seine Azubis zwölf und mehr Stunden arbeiten lässt, dem sollte die Ausbildungsgehemigung entzogen werden! Aber anscheinend können sich nur so einige Hotels überhaupt noch über Wasser halten. Ich bedauere sehr, was dem Verfasser dieser Zeilen vielleicht alles so zugestossen ist.
„…( trotzdem ist das meiste fake, weil niemand irgendwas schlechtes über das Hotel schreiben würde)…“
Die Betrachtung ist doch ein großes Ganzes. Wie „Fache“ können denn die Beiträge sein? Das kriegt doch sofort jemand mit. Und wenn dem so sein sollten, dann tauchen die negativen Beiträge sowieso woanders auf (siehe kununu.de).
„..Das ist pure spionage..Man sucht quasi nach fehlern von anderen! Nur um denen später etwas reinzudrücken….“
Was für negative Erfahrungen muss man gemacht haben, um solche Aussagen zu treffen? Auch das tut mir sehr leid für den Verfasser. Nein, wir leben nicht den Managementstil von „Spionage“ und „reindrücken“.
„…Außerdem könnte man einem nichtschreibenden Auzubi vorwerfen, dass er sich nicht mit dem Hotel identifiziert und kein Interesse zeigt. Somit glauben wir, dass die Komentare oft nicht ganz freiwillig sind.“
Das ist nicht richtig. Für uns sind die Blogbeiträge Teil unserer Ausbildung. Jeder Azubi kommt in die Marketingabteilung. Jeder Beitrag hilft. Und es ist nicht negativ, wenn man nicht bloggt. Eher so, als wenn das Housekeeping vergisst, das Zimmer zu saugen…:-)
„…der Vorgesetze irgentwo seine Finger im Spiel haben und seinen Nutzen daraus schlagen wollen….“
Auch diese Aussage zeigt wieder die negative Grundeinstellung dem Management gegenüber. Das ist wirklich schade.
Wer als Chef nicht in der Lage ist, ein echtes Team zu formen, wer per Diktat und Anordnung führt, der wird als Führungskraft nicht mehr respektiert. Wir gehen den gegenteiligen Ansatz. Wir binden alle Mitarbeiter, egal ob Azubi, Ausgelernter, etc. mit ein. Jeder soll die Möglichkeit haben, Entscheidungen zu treffen und damit Probleme der Gäste zu lösen. Denn im Endeffekt geht es nur darum: Super Service abliefern. Bei Schulungen, Coachings und Workshops bereiten wir alle darauf vor. Stupide Prozessbeschreibungen und Anordnungen helfen nicht weiter und vermitteln den Mitarbeitern ein Gefühl der Fremdbestimmtheit.
Darüber hinaus gibt es für alle ein einheitliches Prämiensystem, dass sich danach richtet, was man zusammen als Team erreicht. Dazu kommen bei uns diverse Benefits für alle Teammitglieder: Wir zahlen ihnen Fitnessstudio-Beiträge, übernehmen die Kosten für Massagen, laden zu Events ein…
Das hört sich für diejenigen, deren Kommentare ich im BLOG lesen konnte, wahrscheinlich sehr ungewöhnlich an. Nur ohne diese Mechanismen, ohne diese authentische Vorgehensweise, hätte prizeotel nicht den Erfolg, den es hat: Holiday Check – Award 2010 & 2011, Gründerpreis Bremen 2010, Zertifikat für Exzellenz 2011 (TripAdvisor), Top Rated Hotel 2010 (Hotel.de) u.v.m..
Da Sie sich ja anscheinend alle gerne für uns und unsere Vorgehensweise interessieren, schlage ich ein Einladung vor. Kommen Sie gerne im prizeotel Bremen-City vorbei! Vereinbaren Sie einen Termin, ich werde persönlich mit den Azubis vor Ort sein, Ihnen alles einmal vorstellen und natürlich alle Fragen beantworten, die Sie haben. Der Weg aus Hamburg ist nicht so weit, wann dürfen wir mit Ihnen rechnen?
Viele Grüße
Marco Nussbaum
Co-Founder und CEO prizeotel